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Syrian Rhapsody

Der Kreis der Gewalt
Ich wurde humanistisch erzogen. Literarisch, musikalisch, moralisch. Daher gilt für mich als liebender Vater das Credo: Schlage niemals dein Kind. Ich bin meinen Kindern körperlich und geistig überlegen. Sie zu schlagen wäre die Bankrotterklärung meines Geistes. Dem Mittel der Gewalt geht der Verlust der moralischen und intellektuellen Stärke voraus, vereinfacht gesagt, mir gehen die Argumente aus. Und welchen Sinn hätte es, die Hand gegen ein schwächeres Wesen zu erheben? Führt es zur Lösung des Problems? Treibt es die geistige und moralische Entwicklung des Unterlegenen voran? Mitnichten. Das schlimme an Gewalt ist, dass sie Probleme nicht löst sondern den Schwächeren nur zeigt: mit Stärke und Gewalt bekommst du am Ende deinen Willen. Man kann diese Erkenntnisse eigentlich auf so ziemlich alle kriegerischen Vorgänge der Weltgeschichte adaptieren.
Sicherlich kamen die meisten großen Umstürze immer mit ausufernder Gewalt einher, aber es war letztendlich immer die Gewalt des einfachen Volkes gegen die Herrschaftskaste, die diese Umwälzungen hervorbrachten. Wenn die Herrschenden einen Verlust vom Empathie, Verständnis und Menschlichkeit aufwiesen, wenn sie das Volk unterdrückten und ausbeuteten, welche Wahl hatte das Volk schon? Es lehnte sich schließlich gegen die jeweiligen Herrscher auf und griff zu Steinen, Mistgabeln, Guillotinen. Durch Revolutionen und Stürze der Herrscher wurden neue Zeitalter hevorgebracht, die dem einfachen Volk fast immer bessere und friedvollere Zeiten brachten. Umgekehrt brachte die Gewalt von Herrschenden gegen ihre Untertanen oder gegen scheinbar unentwickelte Nachbarn immer nur mehr Gewalt, Unterdrückung und Leid hervor. Was wiederum zur Radikalisierung des Volkes führte und es sich schließlich gegen seinen Lehnsherren auflehnte. Ein Kreis, der sich seit Beginn der Menschheit immer wieder schließt. Doch der Krieg in Syrien ist eben nicht die Revolution der Schwächeren gegen ihren Lehnsherren sondern eine Eskalation des Stärkeren gegenüber dem Schutzbedürftigen, schließlich stellt der IS nur einen extrem kleinen Teil der syrischen Bevölkerung dar.
Kriegseinsatz der Bundeswehr deckt sich mit Völkerrecht???
Heute stimmt der Bundesrat also über den Einsatz der Bundeswehr in Syrien ab und das Ergebnis steht längst fest. Die überwiegende Mehrheit von CDU und SPD entscheidet – wie immer – nicht nach dem Willen des Volkes und wird dem Einsatz zustimmen. Ein Großteil der Grünen sowie die gesamte Linke wird dagegen stimmen. Nur reicht das bei Weitem nicht um diese nächste große Fehlentscheidung zu verhindern. Damit kann die Bundesregierung sagen, nicht untätig geblieben zu sein. Ist ja schon mal was. Die Minister stimmen fröhlich in die Kriegsrhetorik der westlichen Demokratien ein. Flinten-Uschi darf endlich Krieg spielen und bekommt das dämonische Grinsen kaum noch aus dem Gesicht. Nur scheint unsere Regierung eines immer noch nicht begriffen zu haben: Der Einsatz der Bundeswehr in Syrien wird keinen Frieden bringen. Wann immer der Westen in den letzten Jahrzehnten interveniert hat, ist es zu jahrelangen Verwüstungen bekommen, gab es enorme Kollateralschäden, waren es zum Großteil Zivilisten, die durch diese Interventionen unsägliches Leid ertragen mussten. Mit jedem Schuss und mit jeder Lüge wird neuer Hass gesät. Am Ende kann niemand mehr vermitteln.
Denn Waffen sprechen nicht, sie töten.
Schaut man sich die Radikalisierung des Islam an, zeigt sich immer wieder, dass jede einzelne Bombe, jede abgefeuerte Kugel und jedes Verhalten jenseits von Humanität und Rechtstaatlichkeit den Hass auf den Westen vergrößern wird. Ein Blick auf die Staaten im Nahen Osten, in die Amerika bereits seine Vorstellung von Frieden und Demokratie exportiert hat, lässt erkennen, dass man diese Form von Demokratie einfach hassen muss. Unter fadenscheinigen Begründungen wurden ganze Landstriche verwüstet, verbrannte Erde hinterlassen und ganze Kulturvölker wieder in die Barbarei gebombt. Und eine Demokratisierung von Afghanistan und Irak kann ich nichts erkennen. Man hat sich eine weitere Generation von Terroristen gezüchtet, an denen man durch Kriegsspielzeuge wieder mächtig verdienen kann, wenn man das nächste mal einrücken muss um die westlichen „Werte“ zu vermitteln.
Die Arroganz mit der die westlichen Regierungen selbstherrlich entscheiden, in den syrischen Luftraum einzudringen und Bombenangriffe durchzuführen, ist ein massiver Bruch des internationalen Rechts und eine Verletzung der Souveränität Syriens. Es gibt auch kein UN-Mandat für diese Handlungen. Laut Völkerrecht und UN-Charta, ist ein kriegerischer Akt, und um das handelt es sich hier, ausschliesslich mit einem Beschluss des UN-Sicherheitsrates erlaubt. Oder, wenn die legitime Regierung eine Einladung ausspricht. Dass Assad von vielen westlichen Staaten nicht als legitimer Souverän angesehen wird, spielt bei diesen Betrachtungen schlichtweg keine Rolle. Auch wenn unser Justizminister Maas der Meinung ist, dass hier (wieder einmal – wie in Afghanistan?) alles rechtens sei. So sagte er dem Tagesspiegel: „Die Deutschen können sicher sein: Der Syrien-Einsatz der Bundeswehr verstößt weder gegen das Völkerrecht noch gegen das Grundgesetz“. Begründen tut er den Bullshit mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1994, wonach Auslandseinsätze der Bundeswehr im Rahmen eines ‚Systems kollektiver Sicherheit‘ möglich seien. „Es gibt drei Resolutionen des UN-Sicherheitsrates gegen den IS, die das vorliegende Mandat abdecken. Nach dem EU-Grundlagenvertrag kann sich Frankreich zudem mit vollem Recht auf die Beistandsverpflichtung seiner EU-Partner berufen“. Auch völkerrechtlich sei das Mandat „zweifelsfrei gedeckt“, sagte Maas: „Frankreich kann sich auf das in Artikel 51 der UN-Charta verbriefte kollektive Selbstverteidigungsrecht berufen.“
Welch Hohn und welch dreiste Verdrehung der Realitäten. Waren es doch belgische und französische Staatsbürger, die die Anschläge in Frankreich verübten. Außerdem schreibt man die Urheberschaft der Anschläge dem Islamischen Staat zu. Also gesteht der Westen jetzt dem IS einen eigenen Staat zu und setzt ihn mit Syrien gleich? Die Vergleiche hinken an allen Ecken und Enden und wiederholen die Rhetorik, die wir schon vom Irak- und Afghanistan-Krieg her kennen. Und die deutsche Regierung hat nichts anderes zu tun, als freudig in genau dieses Kriegshorn zu blasen? Einzig allein Linke und Grüne denken über  eine Klage vor dem Verfassungsgericht nach. Bei den Luftschlägen handele es sich „eher um Vergeltung als um Selbstverteidigung“, sagt die Grünen-Abgeordnete Annalena Baerbock. Und: „So sehr ich den Wunsch der Franzosen nach einer Reaktion und ihre Hilflosigkeit verstehe – Solidarität ist nicht gleichbedeutend mit blinder Gefolgschaft.“ Sahra Wagenknecht sagt: „Wir sind doch nicht mehr im Zeitalter ‚Zahn um Zahn‘, wo man Barbarei durch neue Barbarei rächen muss“. Auch verweist sie auf Afghanistan, wo seit 14 Jahren der sogenannte Krieg gegen den Terror geführt wird und die Taliban heute stärker sind als je zuvor. „Das zeigt, dass Bombardierungen solche Probleme nicht lösen. Wer das nicht begreift, der hat wirklich nichts begriffen.“
In einem Punkt stimme ich mit Sahra Wagenknecht nicht überein. Sie sagte gestern auf der Demonstration am Brandenburger Tor: „Niemand braucht diesen Krieg“. Das ist schlichtweg falsch! Diesen Krieg brauchen jene, die daran verdienen ebenso wie jene, die mit ihren Kriegen seit 1914 die Welt neu ordnen wollen und damit schon eine ganze Reihe von Ländern zerstörten und ins Chaos stürzten. Dazu gehören auch die herrschenden Kreise hierzulande, auch wenn sie ihre politischen Lakaien manchmal beauftragen, nicht immer direkt mitzumachen. Die Bundeswehr kann ja gar nicht überall mitmachen, schon wegen ihrer Technikprobleme. Dazu sei erneut an das erinnert, was u.a. der Philosoph Elmar Treptow in seinem 2012 erschienenen Buch „Die widersprüchliche Gerechtigkeit im Kapitalismus – Eine philosophisch-ökonomische Kritik“ schrieb: „Zu den Kämpfen mit außerökonomischen Mitteln kommt es regelmäßig nicht nur innerhalb der kapitalistischen Länder, sondern auch zwischen den Ländern, die mehr oder weniger kapitalistisch resp. ungleichmäßig entwickelt sind. Alle Nationen sind zwar formal gleichberechtigt, aber die großen und reichen Nationen sind die Mächte, die sich in den Konfrontationen auf dem Globus durchsetzen.
Unter den Voraussetzungen des Kapitalismus herrscht permanente Friedlosigkeit. Das zeigen die Theorie und die Praxis des Kapitalismus in Geschichte und Gegenwart, einschließlich des Imperialismus damals und heute. Seit Jahrhunderten versuchen die kapitalistischen Länder, ihr System anderen Ländern aufzuzwingen, und zwar durch ökonomische Vorherrschaft, politische Gleichschaltung, kulturelle Bevormundung und militärische Gewalt. Dass Imperialismus und Demokratie sich nicht ausschließen, wurde seit dem Vietnam-Krieg deutlicher als je zuvor.“ (S. 20f.) An diese Grunderkenntnis, die nicht erst seit Treptows Buch bekannt ist, muss immer wieder erinnert werden, auch vor dem vermutlichen Ja einer Mehrheit heute im Budesstag zum nächsten Kriegseinsatz der Bundeswehr. Die Kapitalismus-Kritikerin Wagenknecht weiß das sicher auch. Sie hat es diesmal leider nicht gesagt.
Britische Luftwaffe darf als erste ran, der Rest wird folgen
Die aktuellen Beschlüsse der französischen, britischen und auch deutschen Regierungen, ebenfalls Syrien bombardieren oder „aufklären“ zu wollen, ist ungeheuerlich! Es spielt gar keine Rolle, wie die Motive lauten, angeblichen die ISIS zu bekämpfen. Die gewählte syrische Regierung hat es ihnen nicht erlaubt. Das ist auch heute wieder in den syrischen Medien so zum Ausdruck gekommen. „Die Entscheidung des britischen Parlaments, die Luftangriffe gegen den IS in Syrien fortzusetzen, ist ein Verstoss gegen das Völkerrecht“, sagte Damaskus. Die syrische Zeitung Al-Baath schreibt, Premierminister David Cameron führt damit eine „PR-Kampagne“ in Unterstützung einer „US geführten Show unter Verletzung der UN-Charta“.
Show ist das richtige Wort, denn mehr als eine vorgetäuschte Bekämpfung der ISIS haben die Amerikaner seit zwei Jahren nicht gemacht. Al-Thawra, eine weitere offizielle syrische Zeitung sagt, Cameron und das britische Unterhaus, „setzen sich über internationale Legitimität hinweg, wie immer.“ Kaum war der Beschluss der britischen Regierung vom Parlament genehmigt, flogen vier Tornados von der britischen Luftwaffenbasis auf Zypern los, um angeblich Stellungen des IS in Syrien zu bombardieren. Ist das jetzt keine Luftraumverletzung der Briten? Die Türkei und NATO regen sich über eine angebliche 17 Sekunden dauernde russische „Verletzung“ fürchterlich auf und die Su-24 wurde ohne Grund über syrischem Territorium abgeschossen.
Obama sagte darauf, die Türkei hat das Recht sich zu verteidigen. Ach wirklich? Wie sieht es umgekehrt aus? Darf Syrien seinen Luftraum gegen fremde Eindringlinge nicht verteidigen? Müssen die Syrer einfach dulden, das sämtliche westliche Luftwaffen über ihre Köpfe rumfliegen und das Land bombardieren? Ach ich Dummerchen hab vergessen, der Westen und natürlich auch Israel sind ja „die Guten“, können machen was sie wollen und der Zweck heiligt die Mittel. Das Motto lautet: Was kümmert uns Völkerrecht und die Souveränität von Staaten? Wir bomben wo und wann wir wollen.
Der britische Verteidigungsminister Michael Fallon behauptete nach der Rückkehr der Bomber ganz stolz, die Bombenangriffe der Royal Air Force (RAF) gegen den IS, waren „ein schwerer Schlag“ gegen die Finanzierung der Terrorgruppe. Wie schwer kann dieser „Schlag“ schon gewesen sein, wenn laut BBC von den vier uralten Tornados, zwei mit ihren Bomben an Bord wieder zurückkamen? Dann muss die RAF unheimliche Zerstörungskraft an den Tag gelegt haben, mit zwei Bombern und einem Angriff mehr erreicht haben, als die US Air Force in zwei Jahren. Die Syrer haben völlig recht, von einer PR-Aktion der Briten zu sprechen. Speziell, wo Fallon dann noch hinzufügte, die Luftangriffe gegen die Extremisten werden wahrscheinlich über Jahre andauern. „Das wird nicht schnell gehen“, sagte er.
Hallo, was denn nun??? Wenn der heutige Angriff ein schwerer Schlag war, warum muss dann die RAF noch jahrelang weiter bomben?
Dann meine Frage an das Bundesregime in Berlin: Warum soll die Bundeswehr jetzt auch noch mit „Aufklärung“ illegal über Syrien fliegen? Die russische Militärführung hat doch genügend Luft- und Satellitenaufnahmen über die Stellungen der ISIS ins Internet gestellt. Kann man einfach googeln. Die Entsendung der Bundeswehr in das Kriegsgebiet wird nicht dazu beitragen, dass es zu einer Aussöhnung zwischen den Parteien kommt. Stattdessen beteiligen wir uns an einem völkerrechtswidrigen Krieg, der schon Jahre dauert.
Was die westlichen Völker am meisten verwundern müsste ist, dass erst nach dem G20-Gipfel in Antalya der Aktionismus des Westens so richtig in Fahrt kam. Präsident Putin legte Beweise vor, aus denen hervorgeht, dass der IS aus mindestens 40 Staaten finanzielle Unterstützung erhält. Es wurden Aufnahmen der tausenden Tanklastwagen gezeigt, die eine rollende Pipeline mit gestohlenem Öl aus Syrien in die Türkei darstellen. Aber das sind ja kommunistisch verklärte Hirngespinste. Ein lächerlicher Versuch des Despoten Putin, dem lupenreinen Demokraten Erdogan zu verleumden.
Erst als die russische Luftwaffe vormachte, wie schnell und effektiv sie die Terroristen bekämpft, springen alle auf den Zug und wollen auch mitmischen und ihre Lorbeeren holen. Offensichtlich will man den Sieg über den IS nicht alleine den Russen überlassen. Denn wenn die so weitermachen, haben sie Syrien bald vom Ungeziefer befreit. David Cameron hat dem britischen Parlament als Begründung für die Luftschläge gesagt, es gebe mindestens 70.000 Kämpfer der Freien Syrischen Armee (FSA), mit denen die Briten die Angriffe gegen die ISIS koordinieren könnten. Die nächste scheinheilige Lüge nach „Die Drahtzieher von 9/11 sitzen in Afghanistan“ und „Der Irak hat tonnenweise Massenvernichtungswaffen“. Eine FSA in nennenswerter Form gibt es nicht. Gäbe es wirklich 70.000 Kämpfer der FSA, oder überhaupt irgendwelcher Oppositionskräfte in dieser Grössenordnung, hätten sie schon längst Damaskus erobert, Bashar al-Assad aus dem Amt gefegt und ganz Syrien übernommen.
Fazit
Die Entsendung der Bundeswehr in das Kriegsgebiet wird nicht dazu beitragen, dass es zu einer Aussöhnung der Konfliktparteien in Syrien kommt. Auch die russischen Luftangriffe haben die Gräben zwischen den regionalen Konfliktparteien vertieft. Im Irak zeigt sich ebenfalls, wie schädlich sich militärische Interventionen von fremden Mächten auf die Region auswirken: Die Washington Post berichtet, dass viele Iraker der Auffassung sind, dass die USA mit dem IS verbündet sind. Die Zeitung zitiert Stimmen, die sagen, dass der IS längst am Ende wäre, wenn er nicht von den USA gestützt würde. Man traut den Amerikanern nach so vielen Jahren der Militär-Präsenz nicht mehr zu, dass sie Teil eines zivilen Neuaufbaus sein könnten.
Die Washington Post berichtet in einem anderen, erschütternden Artikel über Afghanistan, wo sich das ganze Dilemma darin manifestiert, dass nach dem Abzug der regulären US-Truppen eine „Schatten-Armee“ der CIA mit einer brutalen afghanischen Miliz kooperiert. Die CIA ist nicht zur Beachtung der Menschenrechte verpflichtet, schreibt die Zeitung, und berichtet von brutalen Morden an der Zivilbevölkerung durch die unheilige Allianz. Solches wird man vielleicht auch in einigen Jahren im Nahen Osten beobachten, weil jetzt kaum noch eine westliche Nation nicht in irgendeiner Weise verstrickt und daher für die andere Seite suspekt ist. Frieden kann nicht mit Waffen geschaffen werden.
Denn Waffen sprechen nicht, sondern töten.

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